Vierter
Brief – An alle aus der Geschichte Lernenden
Mühlhausen, den 02.12.2011
Leben ist ein Vorgang,
der nur
gegenwärtig geschieht. Das gestern Gelebte kann heute noch sein, aber nicht so,
wie es war.
Geschichte ist die in der Vergangenheit passierte,
gegenwärtig wirkende und die Zukunft bedingende Lebenstätigkeit der Menschen.
Im
Spannungsfeld der Emanzipation und der Integration der Menschheit aus ihrer und
in ihre natürliche Wirklichkeit sowie jedes Einzelnen von seiner und in seine
mitmenschliche Gemeinschaft entspringt und entwickelt sich das Mensch-Sein.
Erstmals 1914 ging der von Thomas Hobbes so
beschriebene permanente “Krieg aller gegen alle”, wie ihn die Menschheit schon
viel zu lange kennt und führt, in einen heißen Weltbrand, den ersten global
kapitalistisch motivierten Weltkrieg, über. Es folgte, im September 1939
beginnend, gleichermaßen verursacht und weitaus schlimmer die manifeste
Menschlichkeit verheerend, der Zweite.
Das bis heute nicht vollständig bezüglich
seiner wahren Hintergründe geklärte Attentat einer Terroristengruppe auf den
österreichischen Thronfolger und seine Frau veranlasste die damals Mächtigen
den ersten Weltkrieg zu beginnen.
Unverhohlen ausgeübter faschistischer
Staatsterror gebot den fingiert als von polnischen Tätern verübten, blutigen
Überfall auf einen deutschen Radiosender, um einen Anlass zum Eintritt in den
Zweiten Weltkrieg zu erheischen.
Im September 2001 erfolgte ein terroristischer
Anschlag auf das New Yorker World Trade Center sowie gleichzeitig auf das
Washingtoner Pentagon, das Verteidigungsministerium der USA, und nur
vermutlich, da glücklicherweise verfehlt, auch auf das Weiße Haus, den Amtssitz
des US-amerikanischen Präsidenten. Als Veranlasser der Anschläge wird sehr
unscharf umschrieben und pauschal angegeben der sogenannte „Weltterrorismus“
benannt. Die Antwort der
Militärgewaltigen auf die Anschläge in den USA ist eine Allianz überwiegend
demokratisch geprägter Staaten gegen die Terroristen und gegen Staaten, die
diese tatsächlich oder auch mutmaßlich unterstützen, besonders sogenannte
“Schurkenstaaten”.
„Gewissenlosigkeit ist nicht der Mangel des Gewissens,
sondern der Hang, sich an dessen Urteil nicht zu kehren“, redet uns Immanuel
Kant in jenes, denn leider verhalten sich Menschen allzu oft so, wie uns Blaise
Pascal zu sagen weiß:
„Niemals tut man
so vollständig und so gut das Böse, als wenn man es mit gutem Gewissen tut.“
Die Hässlichkeit so mancher menschlichen
Unternehmung und Tat kann durchaus vergessen machen, dass eigentlich die
Tatsache, dass jeder Mensch geliebt werden und Liebe geben will, sein
menschliches Wesen und Wirken bestimmt, dass die Menschen aus ihrer Liebe zum
Leben heraus zu Schöpfertum bei der Gestaltung ihres endlichen Lebens motiviert
sind, sie sich so überhaupt erst als menschliche Wesen aus dem Tierreich
erheben konnten und so auch nur als solche weiter existieren können.
Nicht selten führten und führen sehnsüchtig
oder ängstlich, aus Unwissenheit oder Verblendung heraus, einseitig angestellte
Betrachtungen und Bewertungen zu, später und im Nachhinein gesehen, schier
unglaublichen Vermutungen und daraus resultierendem Irrglauben und eben solchem
unglaublichen Tätig sein der Menschen.
So konnte aus dem Irrglauben an ihr
„Herrenmenschentum“ die Heimat- und Nächstenliebe der Deutschen in zwei Weltkriegen
zu schrecklichen Grausamkeiten missbraucht werden.
Aus der Hoffnungslosigkeit heraus, in ihrem
Leben nicht glücklich werden, ihr konkretes Dasein so nicht mehr ertragen zu
können, glauben viele Anhänger des Islam der Gegenwart, ihrem Leben durch die
Grausamkeit eines Selbstmordattentats einen Sinn geben zu können.
Nicht selten werden wissenschaftliche
Erkenntnisse und technische Errungenschaften, die die Unabhängigkeit des
Menschen von den Naturgesetzen durch deren sinnvolles Anwenden zum
nutzbringenden Beherrschen des Naturgeschehens ermöglichen können, zu
zerstörerischem Beenden missbraucht.
So mussten nach den Atombombenabwürfen auf
Hiroshima und Nagasaki viele Wissenschaftler bitter zur Kenntnis nehmen, dass
sie dem Irrglauben erlegen waren, die Gesetzlichkeit und Verfassungen
bürgerlicher Demokratien würden reichen, solch einen entsetzlichen Missbrauch
ihrer Erkenntnisse und ihres Wirkens auszuschließen. Eigentlich wollten sie dem
Leben dienen, indem sie die Möglichkeit schufen, menschenverachtenden Regimes
bedrohlich entgegen treten zu können.
Durch ständig neu gewonnene Möglichkeiten, die
natürliche Auslese beeinflussen und verändern zu können und das dadurch
mögliche Überschreiten der ökologischen Grenzen ihrer Population, läuft die
Spezies Mensch im Gegensatz zu allen
anderen Lebewesen Gefahr, sich selbst in ihrer Existenz zu gefährden.
Da die Menschen als biotische Wesen gezwungen
sind, ihre sie in der Stammesentwicklung bedingende natürliche Umwelt zu
bearbeiten und zu verändern, verursacht ihre sich ständig vergrößernde
Population besonders durch Methoden der modernen Wirtschaft und Landwirtschaft
die zumindest teilweise nicht mehr rückgängig zu machende Zerstörung ihres
natürlichen Lebensraumes.
Die sowohl aus dem Überlebenswillen der
einzelnen, als auch aus den Notwendigkeiten der Arterhaltung aller Menschen
entspringende egozentrische Sichtweise im Ausnutzen der Naturgesetze zur
individuellen Selbstbefriedigung verursacht
die Verwüstung vieler Regionen der Erde.
Die Menschen konnten sich als sozial zusammenwirkende Lebewesen im ständigen
Wechselspiel zwischen der Wirkung ihrer sich allmählich und fortwährend
verändernden Erbanlagen und der daran anschließenden, natürlichen Auslese als
bewusst bewirkende Wesen aus dem Tierreich erheben.
Ihre biotischen, also ererbten Anlagen bringen
jedoch auch den Selbsterhaltungstrieb und dadurch Konkurrenzverhalten der menschlichen
Individuen untereinander mit sich. Daraus folgt besonders in den gegenwärtig
hochentwickelten Gesellschaften der Wettlauf der Menschen mit sich selbst,
durch den sie einerseits ihr Wissen und Können vorwiegend im Erschließen
technologischer Möglichkeiten erweitern, durch den sie aber andererseits
lebensnotwendige soziale Beziehungen zerstören, moralische Bewertungen ihres
Wirkens unterlassen und psychische Befindlichkeiten nicht berücksichtigen.
Bedingt durch den immer stärkeren Drang der
Menschen, im Wettlauf mit sich selbst gewissermaßen über die eigenen Schatten
springen zu wollen, verschärfen sich die Widersprüche zwischen den
Generationen.
Konflikte, zwischen konservierenden und
revolutionierenden Bestrebungen, um lebensnotwendige, aber in wachsendem Maße
auch scheinbare, teilweise abartige Bedürfnisse befriedigen zu können, werden
eher mittels aggressiver Verhaltensweisen als durch die vernünftige Suche nach
Alternativen, die alle Seiten zufriedenstellen könnten, ausgetragen.
Die gegenwärtige Weltgesellschaft tritt mehr
und mehr zu manipulierten Interessengruppen zusammengenötigt in Erscheinung,
einerseits nach egoistisch–wollüstigem Vergnügen suchend beziehungsweise
andererseits nach Vernichtung und Zerstörung von Hab und Gut sowie des Lebens
andersartiger strebend.
Besonders gefährlich wird diese Entwicklung
dadurch, dass den Menschen heute in wahnsinnigen Größenordnungen
Massenvernichtungswaffen zur Verfügung stehen beziehungsweise, dass einzelne in
der Lage sind, mit geringem Aufwand Errungenschaften des
wissenschaftlich–technischen Fortschritts zur Vernichtung anderer, oft auch in
Verblendung selbstmörderisch, benutzen können.
Die ungeheure Dynamik im Prozess des Wettlaufs
der Menschen mit sich selbst verursacht das Abreißen der Traditionen innerhalb
historisch gewachsener Gemeinwesen und immer aggressivere Auseinandersetzungen
zwischen altehrwürdigen aber oft sehr unterschiedlichen Gestaltungsweisen des
gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Die Schere zwischen den überwiegend am
Erhalten des Althergebrachten interessierten Älteren und den eher zu
umwälzenden Veränderungen bereiten Jüngeren öffnet sich immer weiter, der Hass
zwischen Angehörigen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen wächst, die
Generationen und Anhänger der verschiedensten Traditionslinien stehen sich mehr
und mehr konträr gegenüber.
Die ständig größer werdende, sich alltäglich
über die Menschen ergießende Informationsflut führt zu zunehmender Indoktrinierbarkeit
und geistiger Abhängigkeit, die Menschen fühlen sich so den sich
verselbstständigenden gesellschaftlichen Gewalten immer hilfloser ausgesetzt
und verfallen mehr und mehr in untertänige Lethargie.
Das technologische Wissen und Können der
Menschen wird in steigendem Maße zu einem gigantischen Potenzial für ihre
eigene Vernichtung und der des Lebensraums Erde.
Wenn menschliches Wirken sich in so
beschriebenen Verhaltensweisen äußert, ist es sicherlich angebracht, von
Todsünden zu sprechen. Zu bedenken ist aber immerhin, dass die in
eigentümlicher Weise nur den Menschen mögliche Art und Weise, tätig zu sein,
die Menschwerdung, also das Heraustreten des Menschen aus dem Tierreich und das
Gestalten der verschiedensten menschlichen Kulturen, ermöglichte.
Der wesentliche Unterschied zwischen
tugendhaftem oder sündigem Verhalten besteht in der Richtung, in die sich die
Menschen mittels ihres Tätigseins bewegen, ob sie so ihre Wirklichkeit bewahren
können oder beenden werden.
Immer wieder stellt sich darum die Frage, ob
die Menschen solchen selbstzerstörerischen Verhaltensweisen, die ihnen
gewissermaßen genetisch von der Evolution in die Wiege gelegt wurden, mit
bewusstem und sinnvollem Handeln begegnen können, wodurch sie ihr Leben
lebenswert gestalten und die Wirklichkeit ihres Universums bewahren können.
Worin liegen also die zum Überleben
notwendigen Tugenden des menschlichen Verhaltens?
Die
Menschen erwerben Wissen und Fähigkeiten, wodurch sie ihr Leben über natürlich
gegebene biotische Grenzen hinaus verlängern und es sinn- und freudvoll
gestalten können.
Durch menschliches Wirken kann der Lebensraum
Erde und darüber hinaus auch der Kosmos als solcher zum Nutzen der Menschen
erschlossen und vor dem naturgesetzmäßigen Untergang bewahrt werden.
Neugier, Spieltrieb und lustbetontes Verlangen
sind urwüchsige Motivationen der Menschen zum Handeln, so erlangen sie ihr
Selbstbewusstsein. Zunächst werden ihnen Angst, Hunger und Hilflosigkeit
bewusst, daraus erwachsen oft Hass, Gier und Gewalttätigkeit aber auch
Sehnsucht, Appetit und Hilfsbereitschaft. Überwiegend sind es die
Lebensumstände, die maßgeblich die gefühlsmäßigen Befindlichkeiten der Menschen
bestimmen.
Selbstzerstörerisches Gegeneinander der
Menschen im Kampf ums Überleben kann, historisch und gegenwärtig nachweisbar,
durch bewusstes Anwenden erworbener Erkenntnisse und Befähigungen in
behagliches Für- und Miteinander im Wettbewerb um nutz- und gewinnbringende
Leistungen geleitet werden.
Im Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einem natürlichen
Weltganzen, können die Menschen Notwendigkeiten und Möglichkeiten der
Veränderung beziehungsweise der Bewahrung ihrer Anatomie und Physiologie
erkennen und sie bewirken.
Konflikte und deren Lösung zwischen den
Generationen und Anhängern traditionell andersartiger Lebensweisen führen
überwiegend zu nützlichen Veränderungen im gesellschaftlichen Leben der
Menschen.
Auf der Suche nach Wahrhaftigkeit und
Nützlichkeit und so gewonnenem Informiert-Sein gelangen die Menschen zu
Sittlichkeit und Zufriedenheit, zu bewusst bewirkender Menschlichkeit.
Technologisches, wissenschaftliches und
künstlerisches Wissen und Können ermöglichen es den Menschen, die Welt immer
besser zu begreifen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und die Wirklichkeit zu
bewahren und führen nicht ausschließlich zur Produktion von Massenvernichtungswaffen
und zur gemeinschaftlichen oder individuellen Selbstzerstörung.
Das alles sind Lebenserfahrungen von uns
allen, den Menschen. Jedem von uns steht es frei, sich für tugendhaft
bewahrendes oder sündig zerstörerisches Handeln zu entscheiden.